Kultur

Gehörlosenkultur

„Kultur“ ist schwierig zu erklären.
Je nach Perspektive wird das Wort sehr unterschiedlich aufgefasst.
Generell gilt, dass jede Gemeinschaft – unabhängig von Ihrer Größe oder Zusammensetzung – eine eigene Kultur aufbauen kann.
Auch Randgruppen oder Minderheiten können eine eigene „Kultur“ entwickeln.

Nach klassischer Definition bezeichnet „Kultur“ die Lebensauffassung, die ein Mensch als Mitglied einer Gesellschaft aufnimmt.
Das ist ein ganzer Komplex von Kenntnissen, Glaubensvorstellungen, Kunst, Moralauffassung, Recht, Bräuchen und allen anderen Fähigkeiten und Sitten.

Kultur umfasst auch den Umgang miteinander und den Respekt voreinander.
Kultur bedeutet die gemeinsame benützte Sprache, Theater, Literatur, Brauchtum, Religion und Kunst.

Was bedeutet „Gehörlosenkultur“?

In Deutschland leben etwa 80.000 Gehörlose, die sich ihre eigene Infrastruktur und ihre eigene Kultur aufgebaut haben – die „Gehörlosenkultur“.
Die Gebärdensprache als Kommunikationsmittel ist ein Teil davon.
Zur Gehörlosen-Kultur gehören auch z.B. Vereine und feste Treffpunkte in jeder größeren Stadt.
Dort finden regelmäßige Veranstaltungen und Treffen statt.
Gehörlose sind weitgehend von den kulturellen Aktivitäten der hörenden Mehrheit ausgeschlossen (z. B. Vorträge, Theater, Radiosendungen, Kino), da sie visuell orientierte Menschen sind – sie kommunizieren mit der Gebärdensprache.
Dadurch verarbeiten sie Erfahrungen, Gefühle, Gedanken und Ausdrücke anders als Hörende und brauchen dementsprechend andere Schwerpunkte.
Die Mitglieder der „Gehörlosenkultur“ verstehen sich mehr als eine Sprach- und Kulturgemeinschaft und weniger als eine Behindertengruppe.

Wie entsteht diese Gehörlosenkultur?

  • Gebärdensprache, die eine fließende Kommunikation zwischen den Gebärdensprachlern ermöglicht
  • gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse in Gehörlosenschulen, in der Familie und in der Gesellschaft
  •  „oral tradition“ (mündliche Überlieferung), die von Generation zu Generation weitergegeben wird
  • geschichtliche Entwicklung der Gehörlosengemeinschaft
  • Bräuche, Geschichten und Witze, die über das Leben der Gehörlosen berichten
  • Vertrautheit durch ähnliche Erfahrungen und Erlebnisse mit Gehörlosen aus anderen Regionen und Ländern

Was alles gehört zum Kulturangebot?

Gehörlosenkultur ist überall zu finden.
In den „Schönen Künsten“ haben sich eigene Strukturen gebildet, zum Beispiel mit dem Gebärdensprachtheater und den Kulturtagen der Gehörlosen, auf denen Maler, Grafiker und Bildhauer ihre Werke ausstellen.

Auch Wettbewerbe in Gebärdensprach-Erzählen und Gebärdensprache-Poesie um die „Goldene Hand“ des Berliner Gebärdensprachfestivals und das Deutschen Gebärdensprachtheaterfestival „DeGeTh“ in München erfreuen sich großer Beliebtheit.

Teil der Kultur sind: Pantomime, Tanz, Geschichtenerzählen, Gehörlosen-Witze, Theaterstücke in DGS (=Deutsche Gebärdensprache) und Gebärdensprach-Poesie („Poesie in manueller Sprache“), Gemälde gehörloser Künstler, Skulpturen und Videos.

Die  Sportbegeisterten, haben sich bereits 1910 im Deutschen Gehörlosen-Sportverband zusammenschlossen. Mit seinen über 12.000 Mitgliedern aus 168 Vereinen, führt der Verband auf Vereins-, Landes- und Bundesebene eigene Meisterschaften durch und beteiligt sich an europäischen und internationalen Wettkämpfen.
Weltweit werden die Deaflympics beziehungsweise die Gehörlosen-Weltspiele jeweils ein Jahr nach den Olympischen Spielen veranstaltet.

Im kirchlichen Bereich gibt es Seelsorger speziell für Gehörlose;
auch spezielle Publikumszeitschriften widmen sich dieser Zielgruppe. (z. B. die „Deutsche Gehörlosen-Zeitung“ (DGZ), regionale Mitteilungsblätter und Gehörlosenzeitungen wie die Zeitschrift „Die NEUE für Gehörlose“).
Im Internet entstehen immer wieder entsprechende Magazine und Diskussionsforen.

Als eigene Kulturgruppe haben sich die hörenden Kinder gehörloser Eltern herausgebildet.
Sie sind international unter dem Akronym CODA – „Children of Deaf Adults“ – bekannt.

Regionale und überregionale Veranstaltungen

Die Gebärdensprachgemeinschaft der Gehörlosen hat im Laufe der Zeit eine eigene Kultur entwickelt, die in Gehörlosenzentren und -vereinen gepflegt wird. Beispielsweise das GMU in München, ist eine Anlaufstelle für Gehörlose.
Dort finden regelmäßig Veranstaltungen und Treffen statt.

Deutsche Kulturtage der Gehörlosen

Die ersten „Deutschen Kulturtage der Gehörlosen“ in Hamburg im Jahr 1993 waren mit 3000 Teilnehmern ein herausragender Erfolg. Von dieser Veranstaltung 1993 gingen bundesweit enorme Impulse aus.

So hat es sich entwickelt

1993    1. „Deutschen Kulturtage der Gehörlosen“ Hamburg
1997    2. „Deutschen Kulturtage der Gehörlosen“ Dresden
2001    3. „Deutschen Kulturtage der Gehörlosen“ München
2008    4. „Deutschen Kulturtage der Gehörlosen“ Köln
2012    5. „Deutschen Kulturtage der Gehörlosen“ Erfurt

www.gehoerlosen-kulturtage.de

Seit 1993 gibt es

  • in Berlin Gebärdensprachfestivals
  • in Leipzig das Videofestival der Gehörlosen und das Internationale Magiefestival der Gehörlosen, (Auftritte durch „Trio-Art“ (Essen), „Thow & Show“ (München), „Visuelles Theater Hamburg“, „Deutsches Gehörlosen-Theater“ (Dortmund), „Berliner Theaterbühne“)

Juni 1997 und 2010

  • Deutsches Gebärdensprachtheater Festival (DEGETH) in München.

1999/ 2003 / 2006/ 2010

  • DEGETH in München mit großem Erfolg organisiert.

Regelmäßig findet das Berliner Gebärdensprachfestival statt.