Pressemitteilung 2020-03: Präsenzverdolmetschung bei Pressekonferenzen und Videobotschaften im Fernsehen

München, 26. März 2020
PM 2020-03

Informationsdefizit bei gehörlosen Menschen in der Corona-Krise

Eine Präsenzverdolmetschung bei Pressekonferenzen und Videobotschaften im Fernsehen ist ein richtiges Signal für die Barrierefreiheit im Sinne des Grundrechtes.

Im Zusammenhang mit unserem Gebärdensprachvideo vom 21. März 2020 (www.gmu.de/forderung-dolmetscher-im-fernsehen/) fordert der GMU e.V., dass Pressekonferenzen und Videobotschaften im Fernsehen mittels Präsenz-Dolmetscher*innen live in die Deutsche Gebärdensprache verdolmetscht werden sollen.

Wie der Gehörlosenverband München und Umland e.V. (GMU) bereits in einer Pressemitteilung vom 3. März 2020 (hier der Link) aufgezeigt hat, fühlen sich viele Gehörlose gerade jetzt im Zusammenhang mit der Corona-Krise durch ein Informationsdefizit benachteiligt.
Durch das Engagement des GMU e.V. wurde bereits erreicht, dass wichtige Fernsehsendungen und Videobotschaften als Aufzeichnungen mit Gebärdenverdolmetschungs-Einblendung unter Zeitverzögerung im Internet veröffentlich werden, das ist ein guter Fortschritt. Aber es ist leider nicht genug.
Damit Gehörlose tatsächlich einen gleichberechtigten Zugang zu unter Umständen lebenswichtigen Informationen haben, ist es notwendig, dass sie diese Informationen unmittelbar und zeitgleich auf denselben Kanälen bekommen wie hörende Menschen.

Deshalb fordert der GMU e.V., dass Pressekonferenzen und Videobotschaften im Fernsehen mittels Präsenz-Dolmetscher*innen live in die Deutsche Gebärdensprache verdolmetscht werden.

In der bayerischen Verfassung Artikel 3 und Artikel 118a ist festgeschrieben, dass Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden dürfen. Es ist dort außerdem festgelegt, dass sich der Staat für gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung einsetzt. Das Benachteiligungsverbot ist also gesetzlich klar verankert. Laut UN-Behindertenrechtskonvention müssen gehörlose Menschen allumfassend informiert werden und der Zugang zu den Informationen muss gleichberechtigt sein. Auch das Behindertengleichstellungsgesetz schreibt ganz klar vor, dass Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt behandelt werden müssen.

In einem Gespräch mit einem Pressesprecher der bayerischen Staatskanzlei und auch des Sozialministeriums konnte der GMU e.V. bereits klarstellen, dass nachträgliche Verdolmetschungen von Regierungserklärungen und deren zeitverzögerte Bereitstellung im Internet keinen gleichberechtigten Informationszugang für Gehörlose darstellen. Ein Zugang zum Internet und dessen souveräne Nutzung können beispielsweise bei gehörlosen Senior*innen oder Gehörlosen mit zusätzlichen kognitiven Einschränkungen nicht vorausgesetzt werden. Zudem ist es gerade in Krisensituationen nicht zumutbar, dass Gehörlose im Internet nach Videos mit Gebärdensprachendolmetscher-Einblendung suchen müssen, die oft erst Stunden später angeboten werden, während Hörende längst informiert sind.

Es ist daher die dringende Forderung des GMU e.V., dass bei aktuellen Botschaften, Pressemeldungen oder Pressekonferenzen, die im Fernsehen übertragen werden, immer Präsenz-Gebärdensprachdolmetscher*innen neben den Redenden stehen und live alles in Gebärdensprache übersetzen. Nur wenn Gehörlose ebenso wie Hörende einfach den Fernseher einschalten und die Inhalte zu 100 Prozent verstehen können, ist ein gleichberechtigter Informationszugang gewährleistet.

Zwar liegt die Zuständigkeit für die barrierefreie Gestaltung der Inhalte beim jeweiligen Fernsehsender. Doch müssen Regierungserklärungen aufgrund von wichtigen Ereignissen, wie zum Beispiel dem Coronavirus oder auch einem Katastrophenfall, sich an alle Menschen richten, also an Bürger*innen ohne Behinderung UND an Bürger*innen mit Behinderung. Insofern liegt die Verantwortung bei der Regierung, dass solche Regierungserklärungen und Videobotschaften mit Gebärdensprache im linearen Fernsehen gezeigt werden.

Im Sinne einer solchen Gleichstellung wünscht sich der GMU e.V. mehr Austausch und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Behörden und Gehörlosenverbänden, um die Bedürfnisse besser mitteilen und umsetzen zu können.

Ein positiver Nebeneffekt der Präsenz-Verdolmetschung in Deutsche Gebärdensprache bei wichtigen Fernsehübertragungen wäre eine Sensibilisierung der hörenden Zuschauer*innen für die Bedürfnisse von gehörlosen Menschen. Den Hörenden wird dadurch bewusst, dass gehörlose Menschen auf Gebärdensprachendolmetscher*innen angewiesen sind, und sie setzen dieses Wissen dann möglicherweise auch verstärkt in ihrem Alltag um.

Ebenfalls wird den Zuschauer*innen bewusst, dass die Regierung ihrer Verantwortung gerecht wird und sich für die Rechte gehörloser Menschen einsetzt. Der Freistaat Bayern kann hier ein klares Signal setzen, indem er sich komplett mit der UN-Behindertenrechtskonvention identifiziert.
Das bedeutet in diesem Fall: Präsenzverdolmetschung bei Pressekonferenzen und Videobotschaften in Fernsehsendungen.

Can Sipahi
1. Vizevorsitzender des Gehörlosenverbandes München und Umland e.V.

Cornelia von Pappenheim
Geschäftsführerin des Gehörlosenverbandes München und Umland e.V.

Weitere Informationen finden Sie hier in unserer Pressemitteilung.

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