Pressemitteilung 2020-02: Coronavirus Epidemie – Informationsdefizit bei gehörlosen Menschen

München, 03. März 2020
PM 2020-02

Coronavirus Epidemie – Informationsdefizit bei gehörlosen Menschen

Gehörlosen Menschen ist der Informationszugang verwehrt – sie können sich nicht über den aktuellen Stand zum Coronavirus informieren.

Es gibt sehr viele Informationen über das Coronavirus im Internet oder in Zeitungen, aber sie sind leider nur in schriftlicher Form verfügbar. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege veröffentlicht auf seiner Homepage zum Beispiel viele Informationen zum Coronavirus, auch bekannt unter dem Namen Sars-CoV-2. Außerdem kann man dort auch Antworten auf häufig gestellte Fragen finden.
Aufgrund der Epidemie hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege auch extra einen Krisenstab gegründet, der sich am 01.03.2020 zum ersten Mal getroffen hat. Auch hat die Landeshauptstadt München mit Oberbürgermeister Dieter Reiter einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) einberufen.

Gehörlose Menschen haben aber keinen Zugang zu diesen wichtigen Informationen. Denn all diese Informationen gibt es nicht in Deutscher Gebärdensprache.
Nur die Stadt Hamburg hat ein Gebärdensprachvideo zum Coronavirus herausgegeben.

Auch die bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege hat eine Videobotschaft zum Coronavirus veröffentlicht, die man auf www.bayern.de finden kann. Leider ist das Video für gehörlose Menschen, welche auf die Deutsche Gebärdensprache angewiesen sind, nicht verständlich, da kein*e Gebärdensprachdolmetscher*in eingeblendet ist.

In Deutschland ist es leider generell so, dass Regierungserklärungen im Fernsehen bzw. im Internet in Form von Videos nicht live mit Gebärdensprachdolmetscher*innen übertragen werden. Diese mitunter lebenswichtigen Informationen sind also für gehörlose Menschen nicht zugänglich. Andere Länder haben längst begriffen, dass gehörlose Menschen auf Informationsweitergabe in Gebärdensprache angewiesen sind und gehen mit gutem Beispiel voran. In Österreich, Italien oder Finnland ist es zum Beispiel längst selbstverständlich, dass bei allen wichtigen Meldungen auch Gebärdensprachdolmetscher*innen eingeblendet werden bzw. das vor Ort Präsenz- Gebärdensprachdolmetscher*innen live übersetzen, sodass auch gehörlose Menschen diese Informationen komplett verstehen können.

Für besorgte Bürgerinnen und Bürger wurde in Bayern eine Coronavirus-Hotline: 09131 6808-5101 bzw. in der Stadt München ein Bürgertelefon: 089/233-44740 eingerichtet.
Wie können gehörlose Bürgerinnen und Bürger diese Hotline nutzen, wenn sie nicht telefonieren können? Wie kann ein gehörloser Mensch im Fall eines Verdachtes seinen Hausarzt oder das Gesundheitsamt anrufen und nachfragen, was er tun muss? Telefonieren kann er nicht!

Bei Facebook gibt es jetzt einen Protestvideo in Deutscher Gebärdensprache mit Untertitel und Vertonung, um auf dieses Informationsdefizit aufmerksam zu machen: https://youtu.be/I5_nHar6JEs.

Zusammenfassend ist zu sagen:

Für gehörlose Menschen gibt es de facto fast keine – vor allem keine aktuellen -Informationen in Deutscher Gebärdensprache zum Coronavirus.
Im Notfall gibt es kein geregeltes System, das Notfall-Gebärdensprachdolmetscher*innen zur Verfügung stellt.

Der Gehörlosenverband München und Umland e.V. fordert deshalb einen besseren Informationszugang für gehörlose Bürgerinnen und Bürger.

Denn auch gehörlose Bürgerinnen und Bürger müssen erfahren können, wie groß die Ansteckungsgefahr wirklich ist. Es muss sichergestellt werden, dass auch gehörlose Bürgerinnen und Bürger wissen, wie sie sich vor dem Coronavirus schützen können und was sie im Falle einer Ansteckung tun müssen. Nur so kann eine Panik unter der gehörlosen Bevölkerung verhindert werden.
Gehörlose Bürgerinnen und Bürger haben darüber hinaus das Recht darauf genau die gleichen Informationen zu erhalten wie Hörende.

Es ist daher zwingend erforderlich folgende Maßnahmen umzusetzen:

– Regierungserklärungen mit Live-Verdolmetschung in Deutsche Gebärdensprache mittels Präsenz-Gebärdensprachdolmetscher*innen
– Übersetzung von schriftlichen Inhalten in Form von Gebärdensprachvideos
– Gehörlosen den Zugang zu der oben erwähnten Hotline ermöglichen, zum Beispiel mit einer extra dafür vorgesehenen E-Mail-Adresse oder Handynummer für kurze schriftliche Nachrichten sowie das Einrichten von Videotelefonie mit Notfall-Gebärdensprachdolmetscher*innen

Der GMU empfiehlt dringend, dass bei der Entwicklung von Konzepten für Krisensituationen bzw. auch beim Errichten eines Krisenstabes gehörlose Menschen als Experten in eigener Sache hinzugezogen werden, denn nur so kann sichergestellt werden, dass die erarbeiteten Maßnahmen auch für diesen Personenkreis zugänglich sind.

Weitere Informationen finden Sie hier in unserer Pressemitteilung.