Warum Gebärdensprach-Avatare nicht die Überhand gewinnen sollten

Zitat:
„Zunehmende Digitalisierung und Automatisierung stehen im Fokus des aktuellen wirtschaftlichen Denkens. Auch die Gehörlosencommunities sind davon betroffen, insbesondere durch den vermehrten Einsatz von digitalen Avataren, die nationale Gebärdensprachen wiedergeben können. Trotz des offensichtlichen Mehrwerts von Avataren für den Ausbau der Barrierefreiheit stehen der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB) und der Österreichische Gebärdensprach-DolmetscherInnen-und -ÜbersetzerInnen-Verband (ÖGSDV) dem Thema aus einigen Gründen kritisch gegenüber…..“
Weiter im externen Link die Stellungnahme des Österreichischen Gehörlosenbund (ÖGLB) und der Österreichischen Gebärdensprach-DolmetscherInnen-und -ÜbersetzerInnen-Verband (ÖGSDV)

Auch wenn es eine Stellungnahme aus Österreich ist, sind diese Bedenken und die Begründung auf Deutschland übertragbar.
Es ist zwar gut und wichtig, dass Gebärdensprach-Avatare weiterentwickelt werden, denn sie können dazu beitragen, dass  Gehörlose einen barrierefreien Zugang zu immer mehr Informationen bekommen. Für die technische Weiterentwicklung der Avatare sind die Entwickler auch auf die Unterstützung von gehörlosen Experten angewiesen. Es können also kurzfristig auch neue Arbeitsplätze und Aufgabenfelder für Gehörlose erschlossen werden.

Aber diese Avatare sind noch lange nicht in der Lage eine*n Gebärdsprachdolmetscher*in zu ersetzen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Deutsche Gebärdensprache ist, wie jede andere Gebärdensprache auch, eine komplexe Sprache und es ist nicht möglich, dass ein Avatar Inhalte so differenziert  wiedergeben kann, wie ein*e gehörlose*r oder hörende*r Gebärdensprachdolmetscher*in bzw. ein*e Übersetzer*in. Im Gegensatz zu Gebärdensprachdolmetscher*innen bzw. Übersetzer*innen sind Gebärdensprach-Avatare z.B. nicht in der Lage sich an unterschiedliche Zielgruppen anzupassen. Auch haben sie keine aussagekräftige Mimik und Gestik. Darüber hinaus ist es zwingend notwendig, dass menschliche Gebärdensprachdolmetscher*innen in der Öffentlichkeit sichtbar werden, damit die Gehörlosen und ihre Bedürfnisse von der hörenden Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen werden können. Außerdem sind gehörlose Vorbilder gerade für die Identifikationsbildung von jungen Gehörlosen wichtig. Wenn man sich nur auf die Weiterentwicklung von Gebärdensprach-Avataren konzentrieren würde, dann könnten auch Berufsgruppen in denen Gehörlose heutzutage tätig sind, wie Gebärdensprachdozent*innen oder auch Gebärdensprachdolmetscher*innen wegfallen.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass einfache Informationen, die nicht so wichtig sind, in Zukunft sicher von Gebärdensprach-Avataren übersetzt werden können. Für die Übersetzung bzw. Übermittlung von komplexen Inhalten braucht man aber nach wie vor gut ausgebildete Gebärdensprachdolmetscher*innen bzw. Übersetzer*innen und natürlich auch gehörlose Gebärdensprachdozent*innen. Wir hoffen, dass die Politik nicht auf die Versprechungen der Industrie hereinfällt und auch weiterhin in den echten Ausbau der Barrierefreiheit investiert, für den wie gesagt menschliche Gebärdensprachdolmetscher*innen bzw. Übersetzer*innen notwendig sind.

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